chevron_left
chevron_right
News

«Viele Elektromotoren haben ihr Verfallsdatum überschritten»

In Schweizer Produktionsbetrieben und Infrastrukturanlagen stehen Abertausende von elektrischen Motoren, die Tag für Tag gehorsam ihre Dienste tun. Sie sind unentbehrlich, auch wenn man sie oftmals gar nicht sieht. Spürbar ist aber ihr Stromverbrauch: Satte 45 Prozent des elektrischen Energieverbrauchs der Schweiz gehen auf ihr Konto. «Viel zu viel», findet Energiefachmann Conrad U. Brunner.

 

«Drei von fünf elektrischen Motoren haben ihr Rentneralter längst überschritten», sagt der «Topmotors»-Gründer Conrad U. Brunner. Das unabhängige Beraterbüro gehört zur Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz (S.A.F.E) und engagiert sich weltweit für effiziente Motoren. Zwischen 2007 und 2014 hat es im Rahmen des Förderprogramms «Easy» elektrische Antriebe in 18 Schweizer Indus- triebetrieben untersucht. Darunter waren ganz verschiedene Betriebe, etwa ein Kalkwerk, eine Kläranlage oder eine Schokoladenfabrik. Die Leistung der insgesamt 4142 untersuchten Motoren liegt zwischen zirka 1 und 1000 kW.

Die Analyse zeigte, dass viele dieser Motoren, die Pumpen, Ventilatoren oder Kompressoren antreiben, längst ihr technisches Verfallsdatum überschritten haben. Mehr als die Hälfte der untersuchten Motoren sind bereits heute doppelt so alt als vorgesehen, mehr als ein Drittel stehen sogar schon über 20 Jahre im Einsatz. Kurz: Jeglicher technischer Fortschritt ist spurlos an ihnen vorbeigegangen. Die Motoren laufen im Schnitt 10 bis 12 Stunden am Tag, wobei der wirklich nötige Bedarf bei der Produktion nur in wenigen Fällen überprüft oder reguliert wird. Viele Motoren laufen permanent in einem niedrigen Teillastbereich – sie sind für die Anwendung überdimensioniert und haben somit einen schlechten Wirkungsgrad.

Für Energieeffizienz sensibilisieren

«Das Verfallsdatum der Motoren war eigentlich ein Nebenbefund», sagt Topmotors-Fachmann Rolf Tieben. Im Zentrum des Förderprogramms «Easy» seien nämlich vielmehr Beratung und Optimierung der Antriebssysteme mittels des «Motorcheck» gestanden. Dieser bestand im Wesentlichen aus der Erfassung des Ist-Zustands des Motors, der Potenzialabschätzung sowie allfälliger Optimierungen. «Mit Easy wollten wir die Verantwortlichen in den Betrieben für die Energieeffizienz als wirtschaftliches Argument sensibilisieren und sie beratend und finanziell unterstützen», erklärt Tieben.

Das Programmbudget von 2010 bis 2014 betrug eine Million Franken. Dank den Beratern rüsteten einige Unternehmen die elektrischen Antriebe mit einem besseren Getriebe oder einer neuen Transmission aus. Oft war das Nachrüsten mit Frequenzumrichtern für einen geregelten Betrieb sinnvoll. Mancherorts entschied man sich, den Motor durch ein neues Modell zu ersetzen. Wie viele Verbesserungsmassnahmen effektiv vorgenommen werden, wird sich bis Projektabschluss im November 2014 zeigen.

Frequenzumrichter reduzieren den Energiebedarf

Nur jeder fünfte Motor, der heute im Einsatz ist, verfügte über einen Frequenzumrichter. Mit Frequenzumrichtern lässt sich die Drehzahl beliebig verändern. «Eine Drehzahlreduzierung von nur 10 Prozent hat eine fast 30-prozentige Verringerung der aufgenommenen Leistung zur Folge», erklärt Rolf Tieben. Durch den Einsatz solcher lastregelnder Technologien liesse sich der Energiebedarf der Antriebssysteme, bei kurzen Payback-Zeiten, vielerorts um bis zu 30 Prozent verringern. Im Klartext: Das Effizienzpotenzial ist gross. Doch mangelndes Wissen und Kostendruck bei Neuanschaffungen verhinderten in den Betrieben oft eine energieeffiziente Umrüstung oder Erneuerung des Maschinenparks.

Beschaffung als Problem

Bei der Beschaffung der Motoren orten die Spezialisten ein zentrales Problem. «Beim Kauf sparen viele Betriebe, da die Energie-kosten nur eine untergeordnete Rolle spielen», resümmiert die Topmotors-Ökonomin Rita Werle. Oft würden Motoranschaffungen von der Kaufabteilung der Firma beschlossen und nicht vom technischen Leiter, der über das nötige Fachwissen verfügt. «Häufig kaufen Unternehmen auch gleich mehrere Anlagen oder Ersatzmotoren, die dann im Ersatzteillager auf ihren Einsatz warten – Jahre oder Jahrzehnte später, wenn sie längst nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen.» Die Aufwendungen für Nachbesserungen oder Ersatz liessen sich in den meisten Fällen spielend wieder hereinholen.

«Effiziente Neuanschaffungen rechnen sich, denn die Lebenszykluskosten für Anschaffung, Energie, Unterhalt von Elektromotoren bestehen zwischen 90 und 97 Prozent aus den Energiekosten», rechnet Rita Werle vor. Die begutachteten Pumpen, Ventilatoren, Kompressoren und Förderanlagen liessen sich relativ günstig ersetzen oder verbessern.

Billige Energie verhindert oftmals Neuanschaffung

Die Motivation, aus Gründen der Energieersparnis eine Anlage nachzurüsten, sei leider gering, da die Energie nach wie vor wenig koste: «Die Energiekosten liegen oft unter einem Prozent des Jahresumsatzes.» Die günstige Energie fördere daher Trägheit: Weshalb soll man die Anlage austauschen oder nachrüsten, wenn sie anstandslos läuft? Motoren mit fixen Drehzahlen wurden früher im Bedarfsfall mit Drosselklappen einfach abgewürgt, und solche Anlagen seien auch heute noch in Betrieb, beobachtet Tieben.

Mindestanforderung bringt Bewegung in den Markt

Jetzt macht die Gesetzgeberseite Druck. Seit Mitte 2011 gelten in der Europäischen Union und in der Schweiz Mindestvorschriften für neue Elektromotoren (IE2). In der EU ist ab 2015 für neue Motoren die Effizienzklasse IE3 (Premium-Effizienz) Pflicht. IE2-Motoren dürfen dann nur noch in Kombination mit einem Frequenzumrichter eingesetzt werden. Dies gilt für den Leistungsbereich 7,5 bis 375 kW, ab 2017 dann auch für Motoren ab 0,75 kW.

Der Leistungsbereich soll in Zukunft auf 0,12 bis 1000 kW erweitert werden. In der Schweiz ist vorgesehen, ab 2015 generell IE3 als Mindestanforderung vorzuschreiben. Für Topmotors ist dies ein Meilenstein: «Mit effi-zienteren Antriebssystemen liessen sich weltweit 20 bis 30 Prozent Energie einsparen, das wäre ein wichtiger Beitrag zur Energiewende», freut sich Conrad U. Brunner.

Infoservice

Topmotors
Gessnerallee 38a, 8001 Zürich
Tel. 044 226 30 70
cub@cub.ch, www.topmotors.ch